LINUX und Amateurfunk – einmal nüchtern betrachtet

Das Support-Ende von WINDOWS 10 rückt näher, Oktober 2025 ist die Deadline, wo Microsoft dann WINDOWS 10 EOL („end-of-life“) setzt. Wie zu erwarten war, holt jetzt die ganze Welt wieder die Linux-Keule raus und will Euch den Umstieg auf LINUX schmackhaft machen – sozusagen als DIE Alternative zum ach so schlechten und neugierigen WINDOWS.

Ich verfolge diese Diskussion Linux vs. WINDOWS nun schon einige Jahrzehnte, komme selbst von der IT-Ausbildung her aus dem UNIX-Bereich, also von da, wo Linux herkommt und quasi zu Hause ist. Bevor mich also WINDOWS beruflich immer mehr in Anspruch nahm, habe ich eine lange Zeit verschiedene Linux- und UNIX-Server-Systeme administriert bei einem kleinen, lokalen
Internet-Provider – zu einer Zeit als es noch kein T-Online oder ähnliches gab. Also genau zu der Zeit, als das Internet begann, groß und erwachsen zu werden – so wie Ihr es heute kennt. Ich bin also schon sehr, sehr lange mit der Materie Linux vertraut, so daß ich mir einige Einschätzungen erlauben kann und werde, die vielleicht so gar nicht mit dem übereinstimmen, was man so täglich in Sachen Linux von Online- und Offline-Medien fast gebetsmühlenartig vorgesetzt bekommt.

Widmen wir uns heute also der Frage:

Ich werde das von vielen Betrachtungswinkeln aus beleuchten und auch versuchen, etwas Hintergrundwissen rund um Linux zu vermitteln – wie es begann und wo wir heute stehen in Sachen Linux. Das wird also eine rein sachliche Betrachtung, ohne hier Linux zu hypen oder Linux-Bashing zu betreiben. Ich werde zeigen, wo die Probleme liegen und warum Linux eben nicht so ohne Weiteres ein Ersatz für WINDOWS sein wird oder besser sein kann. Nach fast 30jähriger Berufserfahrung im Bereich UNIX/Linux, gleichfalls nach über 30 Jahren als aktiver, lizenzierter Funkamateur, sehe ich einfach ein paar Dinge anders und kritischer als immer medial versucht wird, wie man es dem Privatanwender vermittelt.

Ein paar Bemerkungen meinerseits vorab…

Was ich klar sagen kann, die Frage nach dem „richtigen“ OS stellt und stellte sich nie für mich. Entscheidend ist einzig und allein, welche Aufgaben muss meine eingesetzte IT erfüllen. Danach – und nur danach – entscheide ich, welches OS ich verwende. Aus diesem Grund bleibe ich eigentlich auch diesen Diskussionen grundsätzlich fern wie WIN vs. Linux vs. macOS. Es wird allerdings sehr viel Falsches verbreitet, das gilt für WIN genauso wie für Linux oder auch macOS. Da ich beruflich mit allen dieser Systeme fast täglich zu tun habe, sage ich ganz klar – meistens liegen die Probleme einfach nur im fehlenden (Fach-)Wissen. Fehlerfrei ist kein System, man muss aber wissen, wie man die auftretenden Probleme lösen kann oder muss. Das gilt für JEDES OS, Linux eingeschlossen.

Interessant für mich war auch seit je her – diese komische OS-Diskussion findet nämlich aussschließlich nur im rein privaten IT-Umfeld statt. Im Bereich von Firmen-IT, meinem beruflichen Tätigkeitsfeld, stellen sich solche Fragen eigentlich gar nicht. Da entscheidet nur der Einsatzzweck darüber, wo welches OS in welcher Form zum Einsatz kommt. Die Frage nach dem „besseren“ OS gibt es da nicht, es wäre auch nicht hilfreich, wenn man geschäftliche IT-Aufgaben zu lösen hat. Linux als Desktop kommt da nur extrem selten bis gar nicht vor – bei den Servern allerdings schon und das auch ziemlich häufig, meist in Form als Core-OS für einen Hypervisor, also das Virtualisierungs-OS. Denn da laufen fast alle Applikationsserver als virtuelle Maschinen und somit weitgehend entkoppelt von der physischen Serverhardware, was den Austausch von Serverhardware enorm vereinfacht. Beispiele wären hier VMware ESXi oder Proxmox, beides spezielle Systeme auf Linuxbasis mit Optimierungen und Anpassungen für genau diesen speziellen Einsatzzweck.

Fakten zur Marktdurchdringung verschiedender Desktop Operating Systems

Schauen wir uns zuerst mal die Faktenlage an, denn die ist meist aussagekräftiger als das ganze Schöngerede (Linux) oder Bashing (WINDOWS) rund um die verschiedenenen, meist auf PC und Notebook eingesetzten Desktop-Betriebssysteme. Ich sage auch ausdrücklich Desktop-Betriebssysteme, also das, mit dem man täglich auf seinem PC oder Notebook als Werkzeug arbeitet, sei es beruflich oder eben wie bei uns Funkamateuren auch im Hobbybereich Amateurfunk. Ohne IT gehts ja kaum noch – das gilt im Grunde ebenfalls für den Amateurfunk.

Hier ein Überblick [Stand März 2025, weltweit bewertet]

Desktop Operating SystemMarktanteil
WINDOWS72%
macOS16%
Linux4 %
sonstige8 %

Ohne etwas zu beschönigen, WINDOWS steht mit 72% klar auf dem ersten Platz, selbst Apple mit seinem macOS ist mit seinen 16% immer noch Platz 2 und dann kommt Linux mit 4% – nicht vergessen, es geht um den Einsatz als Desktop Operating System. Im Bereich der Serverinstallationen ist im Übrigen Linux mit fast 80% die klare Nummer Eins. Aber zu Hause betreiben wir weder ein Rechenzentrum und selbst der Einsatz von Servern dürfte eher die Ausnahme als die Regel darstellen.

In die Realität übersetzt bedeutet das, 72 von 100 PC oder Notebooks laufen mit WINDOWS, 16 von 100 mit macOS und nur 4 von 100 mit Linux. Noch Fragen ? Bewerte ich allerdings die mediale Präsenz rund um Linux, könnte man glatt denken, Linux hat WINDOWS schon längst überholt. Hat es aber nicht und wird es es auch nie, so meine klare Prognose.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit…

UNIX – ein Oberbegriff für eine ganze Familie von ähnlich aufgebauten Operating Systems, zu dem auch Linux zählt – ist eines der ältesten Betriebsysteme, die es gibt. Geboren wurde das 1969 in den Bell Laboratories in den USA mit dem Zweck, hauptsächlich in spezialisierten Anwendungsbereichen wie etwa bei Workstations und Servern eingesetzt zu werden, insbesondere an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Anders als DOS oder WINDOWS ist es also nie als Desktop OS gedacht gewesen (das ist ein wichtiger Punkt), 1969 war das auch kaum denkbar, denn da waren Computer noch fast unbezahlbar und grafische Bedienoberflächen wie wir sie heute kennen und nutzen noch nicht existent. Auch stammen viele der heute in der IT gebräuchlichen Abkürzungen aus dieser Pionierzeit der IT, u.a. CPU („Central Processing Unit“), denn da gab es genau einen Rechner für alle. Angeschlossen waren meist Textterminals, die man als TTY („teletypewriter“) bezeichnete, via RS232 an einem Terminaladapter – Ethernet gab es damals (noch) nicht. TTY – das ist mir doch schon mal im Zusammenhang mit Linux untergekommen ? Ja natürlich, das kommt eben aus den frühen Konzepten damaliger UNIX-Systeme und steckt da bis heute drin. Auch das Netzwerkprotokoll TCP/IP, das Basisprotokoll des Internets und ohne welches das Internet nicht funktionieren würde, entstammt dem UNIX. Es war das speziell für UNIX-Systeme entwickelte Netzwerkprotokoll, welches später in andere Systeme wie WINDOWS ebenfalls implementiert wurde um „Internet-tauglich“ zu werden. Viele der heute im Internet immer noch fast unverändert genutzen Protokoll-Standards basieren ursprünglich auf UNIX-Implementationen, da diese dort zuerst verwendet worden sind – u.a. IMAP, SMTP, HTTP und vieles andere.

Springen wir ins Jahr 1992. In diesem Jahr stellte Linus Torvalds den Linux-Kernel (mehr war Linux damals nämlich nicht) unter die GPL und nach gewissen Unstimmigkeiten mit der GNU, wo man sich aber dann einigte, war Linux als Bezeichnung geboren – was eigentlich GNU/Linux werden sollte – es blieb dann einfach bei Linux – einem Wortspiel aus dem Namen des Entwicklers Linus Torvalds und dem Begriff UNIX. Zusammen mit den schon teilweise fertigen Programmen der GNU und dem Linux-Kernel war also Linux als richtiges Operating System geboren. Auch eine grafische Oberfläche, genannt X11, gab es als kommerzielle Version bereits seit 1986. Etwa 1996 wurde mit Xfree86 ein ebenfalls frei verfügbares X11-System aus dem kommerziellen X11 herausgelöst, was die Entwicklung einer grafischen Oberfläche für Linux ermöglichte. Ab da kann man in etwa von Linux als Desktop OS sprechen, vorher war das ähnlich wie DOS nur meist rein textbasiert nutzbar.

Linux und die „Distributionen“

Am Anfang war alles ein Sammelsurium aus Kernel und verschieden Tools, die meist nur als Quellcode veröffentlicht wurden. Das war also nix für die breite Masse. Das merkte man schnell und man begann, solche Dinge zu sammeln und zu sog. Distributionen (engl. „Verteilung, Vertrieb“) zusammenzustellen. Damals meist als CD, später dann als DVD konnte man solche Linux-Distributionen entweder runterladen (was zu Zeiten von Modems echt keinen Spaß machte), besser war jedoch, sowas fertig im Handel zu kaufen. Eine der ersten Distributionen waren SuSE und RedHat, die das Konzept Distribution mehr oder weniger erfunden hatten. Das hat sich bis heute im Grunde kaum geändert – ist doch eine Linux-Distribution nichts anderes als eine sinnvoll gestaltete Zusammenstellung vieler Programme und Tools, die unter dem Systemkern von Linux lauffähig sind. Diese muss der Nutzer nicht erst einsammeln gehen oder gar selber compilieren, die Anbieter solcher Distributionen stellen somit quasi komplette Installationen bereit, also OS-Kern plus beigefügten Applikationen. Das eigentliche Linux ist, wie damals auch schon, nur der Systemkern plus den Kernel-Modulen (einer Art Hardwaretreiber für die ganze Peripherie eines Computers), meist ergänzt um eine ganze Entwicklungsumgebung inklusive Compiler, Linker und was sonst noch so dazugehört. Deswegen auch meist die Bezeichnung Linux + Bezeichnung der Distribution, z.B. Linux mint (wobei man selbst da den Begriff Linux schon mal weglässt wie bei Ubuntu).

Softwarekonzepte unter Linux

Um das Linux besser zu verstehen, wie es aufgebaut ist und arbeitet, muss man die Softwarekonzepte von UNIX allgemein verstehen lernen. Schon sehr früh musste man sich Gedanken machen, wie man die anfänglich knappen Resourcen eines Rechners möglichst effektiv nutzen kann. Wenn also viele Programme gleiche Routinen benötigen, muss man diese ja nicht jedesmal neu schreiben, sondern man stellt diese einfach in einer Art Bibliothek mehreren Programmen zur Verfügung. Auf so eine Bibliothek wird dann durch das Programm zugegriffen, wenn man deren Funktionen benötigt. Das erfolgt meist dynamisch, die Bibliothek wird vom Programm geladen wenn benötigt und wieder entladen, wenn nicht mehr gebraucht. Deswegen heisst das ganze auch dynamische Link-Libraries. Unter WINDOWS hat sich da eher der Begriff DLL durchgesetzt, ist aber eigentlich das Gleiche. Ich muss also als Programmentwickler nicht immer alles neu erfinden, ich bediene mich größtenteils bereits vorhandener Bibliotheken. Das spart Entwicklungszeit und schont am Ende auch Ressourcen, bedeutet die vom Compiler erzeugten ausführbaren Programme bleiben meist sehr klein und kompakt, der benötigte Rest wird bei Bedarf nachgeladen in Form der im System bereits vorhandenen Softwarebibliotheken. Diese Konzepte wurden wichtiger, als dann Bedienoberflächenkonzepte wie GNOME oder KDE aufkamen, die alle auf einem sog. Framework, also einer speziellen Zusammenstellung verschiedener Softwarebibliotheken, beruhten. So konnten mal schnell ein Medienplayer entwickelt werden, denn es war ja alles bereits da. Fenster, Buttons, selbst die Audioausgabe waren bereits vom Framework bereitgestellt. Im Grunde wie ein Puzzle, was nach dem Zusammensetzen eben dann einen Medienplayer ergab oder andere Applikationen.

Hier liegt auch ein bisschen der Hase im Pfeffer bei der Softwareentwicklung unter Linux. Wir haben inzwischen Tonnen an Softwarebibliotheken und diese auch noch in verschiedenen Versionen (leider auch mit verschiedener Versionierung je nach Distribution), weil ja auch diese Bibliotheken weiter entwickelt werden und durch neuere ersetzt werden. Meist geht das mit Änderungen an der Nutzung dieser Bibliotheken einher, eine Version 1.x muss von einer Applikation anders genutzt werden als z.B. die neuere Version 2.x. Bedeutet, jeder Programmentwickler muss seine Applikation immer wieder an die neuen Gegebenheiten anpassen. Im Grunde ein unendlicher Kreislauf. Da die meiste Software eben auf OpenSource beruht, bedeutet das eine Menge Arbeit, die nie endet und für die im Normalfall auch niemand nur einen Cent bekommt. Das machen fast alle Entwickler quasi ehrenamtlich, meist in ihrer Freizeit. Und da das im Normalfall keine Einnahmen generiert, kann man also auch keine großen Ansprüche stellen, geschweige denn Forderungen an den oder die Entwickler. So passiert es eben leider auch häufig, das solche OpenSource-Projekte einfach beendet werden, falls sich niemand findet, der ein solches Projekt dann weiterführt. Software lebt aber von der Weiterentwicklung. Im Grunde ist also Linux weitgehend ein community-getriebenes System, dessen Erfolg und Akzeptanz also vom Wohlwollen vieler Entwickler abhängt, die das einfach aus Spass an der Sache machen, meist ohne damit auch nur einen Cent zu verdienen. Und da liegt auch der Fluch und Segen solcher Systeme – verdiene ich Geld mit dem Verkauf von Softwarelizenzen ergeben sich ganz andere Möglichkeiten, Entwicklungen zu beschleunigen oder neue Dinge zu implementieren.
Aktuell sind mir keine Linux-Applikationen bekannt, die als Kaufsoftware im Bereich Amateurfunk angeboten werden. In anderen Bereichen gibt es diese auch für Linux allerdings schon. Also nicht alles gibt es für lau und auch ist nicht alles OpenSource-Software.

Unter WINDOWS ist ein Angebot an freier Software natürlich auch vorhanden, jedoch nicht in dem Umfang wie unter Linux. Meist kosten auch kleine Programme Geld, was man dann oft als Shareware bezeichnet. Also über kurz oder lang muss ich unter WINDOWS mal hier und da etwas Geld investieren, wenn ich unbedingt das Programm A oder B nutzen möchte. Unter Linux ist das eher nur die Ausnahme, fast alles ist frei und kostenlos nutzbar.

Was bedeutet das für Amateurfunksoftware ?

Wenn man nun den vorigen Abschnitt richtig verstanden hat, sollte man also nicht allzu hohe Erwartungen hegen, was den Bereich verfügbare Amateurfunk-Applikationen betrifft. Die für den Amateurfunk entwickelte und weitgehend als OpenSource und damit frei und kostenlos zur Verfügung stehenden Applikationen werden womöglich auch nicht den (Funktions-)Umfang haben wie Bezahlsoftware unter WINDOWS. Auch kann man nicht erwarten, das die Auswahl riesig und umfangreich ausfällt. Das tut sie nämlich in der Tat auch nicht. Das gilt am Ende auch für mein eigenes Projekt deskHPSDR, was ich ja auch als OpenSource zur Verfügung stelle. Ich orientiere mich am Thetis (inzwischen auch OpenSource, allerdings WINDOWS only), was aus einer ehemals kommerziellen Version hervorgegangen ist, die als PowerSDR früher kommerziell von Flexradio entwickelt wurde. Jedoch hat Flexradio später PowerSDR als OpenSource freigegeben, nachdem sie entschieden hatten, eine neue kommerzielle SDR-Applikation namens SmartSDR für die Flexradios zu entwicklen – leider bis heute nicht unter Linux lauffähig, nur WINDOWS und macOS werden unterstützt. Ich kann aber nicht so viel Zeit aufbringen, deskHPSDR auf das Niveau von Thetis zu heben. Ich kann mich annähern, aber es wird nie Thetis sein oder werden. Da muss man also Abstriche machen – was für viele Applikationen unter Linux gleichermassen gilt. Aber es gibt schon einige interessante Entwicklungen, die mit kommerzieller Software im Bereich Afu durchaus mithalten können.

Hier mal ein kleiner Überblick, was so unter Linux in Sachen Amateurfunk interessant sein könnte:

Bereichmögliche Applikationen
LogbuchsoftwareCQRLog, QLog, Wavelog
Digitale BetriebsartenJTDX, WSJT-X, Fldigi
SDRpiHPSDR/deskHPSDR, SparkSDR, SDRAngel, SDR++, OpenWebRX
(Achtung – nicht alles ist OpenSource)
SSTVQSSTV
ContestingNot1MM (N1MM Clone, geschrieben in Python)
APRSXastir
GeräteprogrammierungCHIRP
CAT + RemoteFlrig, Wfview
verschiedende Apps, die auf der Hamlib basieren

Den ganzen Bereich Raspberry Pi und Linux lasse ich hier mal außen vor, wir reden ja von Linux im Einsatz als Desktop OS oder Alternative zu WIN, da zähle ich den Pi mal nicht dazu (obwohl der Pi5 inzwischen das Zeug zu einem echten Desktop-Rechner hat), auch den Einsatz von Linux in SDR-TRX wie dem Red Pitaya oder dem ADALM PLUTO lasse ich mal als eigenständige Sachen außen vor. Zweifelsohne spielt dort Linux, wenn auch in einer spezialisierten Form, eine wichtige Rolle.

Das „Problem“ sitzt meist vor dem Computer

Etwas frech formuliert, aber ich muss es so klar benennen. Linux kennen und anwenden und Linux können sind zwei paar völlig verschiedene Schuhe, auch wenn sich die Installation heutiger Linux-Distributionen fast einfacher als eine WINDOWS-Installation gestaltet. Treiber sind meistens alle bereits vorhanden, das Suchen nach Treibern ist damit fast immer überflüssig. Nach der Installation hat man meist ein fast vollständig funktionierendes System. Auch der Ressourcenhunger, den ein OS an den PC stellt, ist meist unter Linux um einiges geringer als ein modernes WINDOWS, sprich, das geht meistens auch auf älteren PC oder Notebooks noch gut zu benutzen, wo man vielleicht unter WINDOWS schon unzufriedener war.

ABER: Linux ist kein einfaches Betriebssystem, auch wenn man es gut bedienen kann. Man muss lernen, mit der Shell umzugehen, sonst wird man irgendwann kläglich an einfachen, aber notwendigen Dingen scheitern. Und ich muss erneut darauf hinweisen, trotz vorhandener sog. Paketmanager oder Paketverwaltungs-Applikationen, die meiste Software für Linux wird nach wie vor nur als Quellcode angeboten, was bedeutet, wir müssen uns die gewünschte Applikation selbst compilieren. Leider wird es ab hier anspruchsvoller, man muss den Umgang mit einem Compiler lernen und man muss lernen, wenn der Compiler mal sagt, bis hierher und nicht weiter, was dann zu tun wäre. Bedenkt, Support vom Entwickler kann man nicht erwarten – ihr müsst Euch da selber kümmern. Auch solltet Ihr der englischen Sprache mächtig sein, vieles im Linux ist auf nur auf Englisch, besonders was Installationsanleitungen oder ähnliche Dinge angeht. Ich mache das auch so, meine Anleitungen bezüglich deskHPSDR verfasse ich ausschließlich in Englisch, da die meisten Nutzer meines Softwareprojekts nicht aus DL kommen.

Ist denn nun Linux als Desktop OS zu empfehlen ?

Da ich nun Linux lange genug kenne und wie anfangs bereits ausgeführt, mit meiner IT-Ausbildung aus dem UNIX-Bereich komme und auch Software u.a. unter/für Linux entwickle, lautet meine Antwort im Grunde Jein. Die Stärken UNIX-basierender Systeme lagen immer im Einsatzbereich als Server OS, weniger im Bereich von Desktops. Das hat sich zwar im Laufe der Zeit etwas geändert, so daß man heute durchaus solche Systeme auch als Desktop OS nutzen kann. Es gibt aber noch viele Probleme in Bezug auf den Desktop-Einsatz zu lösen, so ist die X11-Basis nun fast 40 Jahre alt und nicht wirklich optimal auf heutige Anforderungen wie 4K-Auflösungen vorbereitet. Weiterentwicklungen wie Wayland setzen da bereits länger an, aber auch da sind noch nicht alle Probleme gelöst. Besonders das Scaling bei hohen Auflösungen ist nach wie vor ein Problem und immer noch nicht auf dem Stand, das man sagen kann „funktioniert problemlos“. Andere OS wie WINDOWS und selbst macOS sind da bereits einige Schritte weiter. Natürlich ist Linux aus der heutigen IT-Landschaft nicht mehr wegzudenken, besonders wenn es um Server und Internetanwendungen geht. 80% aller Server weltweit laufen inzwischen unter Linux. Aber ein Server hat andere Aufgaben wie ein Desktop OS zu erfüllen, denn die brauchen meist überhaupt keine grafische Benutzeroberfläche und haben oft auch keine. Die laufen also rein textbasiert, auch in der Dialogschnittstelle zwischen User bzw. Administrator des Operating Systems. Mit gewissen Abstrichen und Kompromissen ist Linux als Desktop OS also durchaus nutzbar. Meine erste Wahl als Desktop OS ist und wird es allerdings nicht, dazu später noch einige Worte.

Fehlende Spezialapplikationen unter Linux als k.o. Kriterium

Leider muss man feststellen, nicht für alles wäre Linux ein Ersatz. Applikationen wie ICOMs Remote Control Software Icom RS-BA1V2 (WINDOWS only) oder Flexradios SmartSDR (nur unter WINDOWS und macOS verfügbar), um nur einige zu nennen, sind NICHT unter Linux verfügbar. Sowas kann also schneller zum k.o. Kriterium werden, wenn man im Besitz dieser Geräte ist und über Linux als Alternative nachdenkt. Gut, für ICOM (und teilweise auch Kenwood) Geräte hätten wir mit Wfview noch eine Option, die auch unter Linux läuft. Aber viele Anwendungen anderer Gerätehersteller, meist wenn es ums Einspielen von Firmware-Updates in die Geräte geht, guckt man unter Linux fast immer in die Röhre. Diese gibt es häufig einzig und allein nur als reine WINDOWS-Applikationen. Ein totaler und konsequenter Verzicht auf WINDOWS ist also aus meiner Sicht kaum denk- und umsetzbar, selbst wenn man WINDOWS am Ende als virtuelle Maschine unter Linux laufen lässt und nur bei Bedarf startet und nutzt. Der Anteil an Linux-Desktops ist bei 4% Marktanteil einfach nicht relevant für die großen Hersteller.

Warum gibt es eine Applikation nicht immer für alle Operating Systeme ?

Wenn man als Entwickler Software schreibt, muss man von Beginn an die Systeme berücksichtigen, wo dann diese Applikation laufen soll. Relativ einfach ist das immer dann, wenn man in der gleichen Systemumgebung bleibt, wie z.B. UNIX oder WINDOWS. Das bedeutet, ein mal für WINDOWS 7 entwickeltes Programm funktioniert mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unter einem WINDOWS 10 oder 11. Bei den UNIX-Umgebungen ist das ähnlich, was unter Linux läuft, läuft meist auch unter BSD oder macOS – denn alle benutzen im Grunde gleiche Rahmenbedingungen, die das OS bereitstellt. Daher auch der Begriff „Systemumgebungen“, die gemeinsame bzw. ähnliche Konzepte symbolisieren sollen, auch wenn es per se konkret verschiedene OS sind.

Schwieriger wird es, wenn es dann wirklich plattformübergreifend sein soll. Jede Systemumgebung hat Besonderheiten, die der Entwickler berücksichtigen muss. Hier benötigt man sog. Frameworks, die auf allen Systemen gleichmassen verfügbar sind. Ein solches Framework ist u.a. Qt, was sowohl unter WINDOWS als auch unter UNIX-basierten Systemen eingesetzt werden kann und Basisfunktionen wie Fenstergestaltung, Buttons, Eingabefelder oder ähnlichen plattformunabhängigen Programmcode ermöglicht. Trotzdem kommt man nicht umhin, im Programmcode spezifische Dinge je nach Systemumgebung zu berücksichtigen und eine Art Verzweigung einzubauen. Dann macht die Applikation je nach System unter der Haube verschiedene Dinge je nach OS, ohne das der Anwender das merkt. Es gibt aber auch spezifische Dinge, die nicht unter jedem OS möglich sind. An diesem Punkt müsste man dann zwei verschiedene Applikationen separat entwickeln, die jeweils auch das genutzte OS abgestimmt werden müssen. Auch lässt sich eine Applikation nicht einfach mal von OS A auf OS B, z.B. also von WINDOWS auf UNIX, portieren. Im Grunde bedeutet das meistens, diese Applikation muss dann von Grund auf neu geschrieben werden. Hier könnte man SDRConnect nennen, was SDRPlay von Grund auf neu entwickelt hat und eben nicht den Vorgänger SDRuno (WINDOWS only) zu einer Multi-OS Applikation umgebaut hat. Die komplette Neuentwicklung war hier vermutlich der bessere, wenn nicht sogar der schnellere Weg – wahrscheinlich auch der kosteneffektivste Weg.

Zusammengefasst: Es ist fast unmöglich, eine bereits vorhandene Applikation, die für ein spezifisches OS entwickelt wurde wie z.B. für WINDOWS, mal einfach so auf weitere OS wie Linux zu portieren. Im besten Fall geht das mit überschaubaren Anpassungen im Programmcode, aber meist bedeutet das, eine komplett neue Applikation entwickeln zu müssen, die von Beginn an auf den Einsatz unter den verschiedenen OS gestaltet wird und das entsprechend berücksichtigt. Eine speziell für ein OS entwickelte Applikation läuft erstmal auch nur auf dem dafür vorgesehenen Ziel-OS, was eine mögliche Portierung auf ein anderes OS vermutlich erstmal grundsätzlich ausschließen dürfte. Deswegen haben wir also WINDOWS-only Applikationen wie auch UNIX-only Applikationen, aber eben auch welche, die auf allen OS laufen. Diese Entscheidung liegt beim Entwickler und muss meist bereits getroffen worden sein, bevor die erste Zeile Programmcode geschrieben werden kann.
Am Ende können sogar andere Dinge eine Portierung verhindern, wenn u.a. Lizenzrechte oder Patente verletzt werden würden, wenn der Entwickler eben nur die Freigabe für ein spezifisches OS vom Lizenzgeber oder Patentinhaber erhalten hat. Dann kann er keine Multi-OS Applikation bauen, selbst wenn er es wollte. Er darf es dann schlicht nicht und meist darf er dann auch keinen Quellcode veröffentlichen aufgrund von sog. NDA (engl. „Non-Disclosure Agreement“ = dt. „Geheimhaltungsvereinbarung“).
Die Welt besteht nun mal nicht ausschließlich aus OpenSource – im Gegenteil, das Meiste unterliegt geschützten Lizenz- und Patentrechten und deren Nutzung bzw. Verwendung kosten dann nämlich Geld – am Ende muss also auch die entsprechende Applikation kostenpflichtig werden und ist dann meist auch nur noch als ClosedSource erhältlich. Linux verpflichtet nicht grundsätzlich zu OpenSource, das ist falsch und wird klar in der GPL geregelt. „Bezahlsoftware“ ist also auch unter Linux sehr wohl möglich. Da der Anteil an Linux-Installationen im Desktop-Bereich jedoch verhältnismässig gering ist – im Gegensatz zu WINDOWS – lohnt sich schlicht aus wirtschaftlichen Gründen oft eine Entwicklung speziell für Linux nicht. Es fehlt eben das Kundenpotential und von dem auch noch die Anwender, die überhaupt bereit wären, unter Linux für Softwarelizenzen Geld auszugeben, da man Linux oft mit OpenSource und damit weitgehend frei erhältlicher und kostenloser Software verknüpft.

Fazit zu Linux und dessen Einsatz im Amateurfunk

Wen also mit allen Dingen, die ich so angesprochen oder angerissen habe, für sich keine Probleme sieht und denkt, das könnte durchaus eine Alternative zu WINDOWS sein und die nicht so zahlreich verfügbaren Amateurfunk-Applikationen reichen aus, dem kann man Linux durchaus empfehlen.

Wer allerdings hier die gleiche Menge und Funktionsumfänge an Amateurfunk-Softwareangeboten wie unter WINDOWS erwartet, der wird leider schnell entäuscht sein. Sucht Euch für den Anfang Distributionen wie Ubuntu oder Mint, die sind gut zusammengestellt und gepflegt und lassen sich ziemlich einfach und schnell installieren, sind jedoch meist auf älterem Softwarestand. Aber für den Anfang spielt das noch nicht die entscheidene Rolle.

Und noch ein äußerst wichtiger Tipp, wenn nicht sogar der Wichtigste:


Wenn Ihr das berücksichtigt, kann oder wird Euch Linux Spaß machen. Andernfalls wird „Back to WINDOWS“ schneller passieren, als Ihr vielleicht dachtet.

Linux ist ein Betriebssystem mit dem Motto „Alles kann, nix muss.“ Es ist ein offenes System, wie ich mir das gestalte, liegt ganz bei mir. Im Grunde könnte ich den Kernel nehmen und mir „mein“ eigenes Linux selbst bauen – so wie ich es gerne hätte, ohne die Verwendung fertiger Distributionen. Das macht es wahnsinnig flexibel – setzt aber immer entsprechendes Wissen und Können mit diesem System voraus. Ich bin also nicht gezwungen, irgendwelchen Vorgaben wie unter WINDOWS Folge leisten zu müssen, was nicht passt, kann ich mir passend machen. Das ist ein völlig anderer Ansatz – und es hindert mich niemand, Software, die ich benötige, selber zu entwickeln, nach meinen Vorstellungen und so, wie ich es gerne hätte. Die notwendigen Entwicklerwerkzeuge sind alle vorhanden und kosten nix.


Abschließend – ich persönlich verwende Linux privat eher selten – mit Ausnahme meiner Raspberry Pi mit PiOS, „mein“ OS ist im Privaten wie auch in der Amateurfunk-Anwendung macOS von Apple. Es hat auch ein UNIX-basiertes OS unter der Haube, Apple nennt das Darwin. Es ist aber nicht Linux-basierend, sondern entstammt einem weiteren freien UNIX, nämlich BSD. Im Gegensatz zu Microsoft mit WINDOWS veröffentlicht nämlich Apple auch immer den Quellcode von Darwin (Aber nicht die darauf aufsetzenden Schichten, die die GUI von macOS darstellen wie Cocoa und Ähnliches. Die sind auch bei Apple Closed Source und nicht im Quellcode zugänglich, lediglich deren API sind dokumentiert, damit Entwickler Software Softwware für macOS schreiben können). Es gibt aber auch unter macOS die Möglichkeit, fast alle Applikationen einsetzen zu können, die eigentlich für Linux gedacht bzw. gemacht sind. Das ermöglichen zwei (eigentlich drei) Paketmanager ähnlich dem apt unter Debian Linux, die da Homebrew und MacPorts heissen, weniger bekannt und genutzt wird Fink. Homebrew dürfte sich inzwischen zum meistgenutzen Paketmanager unter macOS entwickelt haben wenn es um OpenSource-Applikationen geht, da hier eine sehr gute und vor allem aktuelle Paketpflege betrieben wird. Er ist auch meine bevorzugte Wahl. Diese beiden bzw. drei Möglichkeiten machen für mich macOS interessanter als es Linux tut, denn ich habe am Ende zwei Welten in einem System vereint – reine, native macOS-Applikationen plus die Adaptionsmöglichkeit quelloffener Software aus dem Linux-Universum. Das ermöglicht auch, dass mein Projekt deskHPSDR sowohl unter macOS wie eben auch unter Linux lauffähig ist und auf beiden Plattformen gleichermaßen genutzt werden kann.

4 Gedanken zu “LINUX und Amateurfunk – einmal nüchtern betrachtet

  1. Guter Artikel. Zu ergänzen wäre SDRconnect was unter Linux läuft. Zu den Desktopbetriebssystemen mit Linuxbasis zählt nach meinem Wissen auch ChromeOS. In den USA soll das im Bildungsbereich weit verbreitet sein.
    Rein praktisch kommt man beim Amateurfunk kaum komplett von Windows weg. Viele Hardware verlangt Windows, selbst MacOS hilft da oft nicht weiter. Ja, wie du schreibst, dass passende OS für den Anwendungsfall.
    Ich habe so um 1996 herum Linux kennengelernt und bin dann zeitweise tiefer eingestiegen. Manche Software gab es eben nur als Quellcode oder Gerät XY lief nur mit Anpassungen am Kernel. Mir gefällt an Linux einfach der Opensource-Gedanke und dass ich mich unabhängig bewegen kann.
    Sehe ich als Beispiel einen Standarduser im Bekanntenkreis würde ich ihm eher ein Chromebook empfehlen als eine Windowskiste.
    73, Frank mit DSL

    1. Das mit ChromOS (Closed Source) und Chromium OS (quelloffen) ist etwas kompliziert. Ja, in seiner Abstammung kommt oder besser kam es von GNU/Linux bzw. Gentoo. Auch verwendet es einen Linux-Kernel, aber selbst unter den IT-Fachleuten ist es äußerst umstritten, dieses OS im weitesten Sinne als „Linux-Distribution“ zu bezeichnen. Ich halte mich da auch mal etwas zurück und berücksichtige ChromOS in der Betrachtung mal eher nicht.

        1. Wie ich schon sagte, ChromeOS (kein! OpenSource OS, quelloffen ist nur sein Bruder Chromium OS) ist so eine Art Spezial- oder Sonderfall. Man könnte es aber aufgrund des Linux-Kernels sicher zu den Linux-System zählen und im weitesten Sinne natürlich auch als eine Art Linux-Distribution. Aber da es ja stark an die Google-Dienste gebunden ist, dürfte es ähnlich wie WINDOWS für viele eben nicht als Alternative infrage kommen. Darum geht es ja häufig in der Diskussion Linux vs. WINDOWS bzw. Linux als Alternative, wie stark hier die Bindung kommerzieller OS an die Hersteller eigentlich ist – bei ClosedSource kann man das eben auch nicht mal so einfach im Quellcode gegenchecken.

Schreibe einen Kommentar zu Frank Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert