Ähnlich der Hamradio in Deutschland findet auch in Tokio eine Art Amateurfunkmesse statt, die sich JARL Ham Fair nennt. Bereits in Dayton/USA und der Hamradio/Deutschland präsentierte ICOM Platinen und Baugruppen eines Konzepts, welches als X60 bezeichnet wurde. Lange war es unklar, was ICOM nun hinter diesem Konzept eigentlich „versteckte“.
Geheimnis gelüftet – ICOMs neuer IC-7760
In Tokio zur JARL Ham Fair wurde nun also das Geheimnis gelüftet, ICOM präsentierte den neuen IC-7760, wie er nun endgültig genannt wird.
Hier ein paar ausgewählte technische Daten, die bisher bekannt sind:
- bis 200W Ausgangsleistung bei 100% duty-cycle, ab Werk mit (Digital-)Predistortion DPD, was ICOM wohl „Clean Transmit Signal“ nennt
- 160m – 6m, kein(!) 4m, dafür aber zumindest in der EU-Version 137kHz VLF, immerhin als RX und(!) TX
- Direct-Sampler mit zwei unabhängigen VFO bzw. RX
- Digital Predistortion („DPD“), auch in Kombination mit ICOMs PA IC-PW2 nutzbar
- 11 flankensteilere Bandpass-Filter (der IC-7610 hat 9 mit geringerer Flankensteilheit)
- Konzept mit Basisgerät und abgesetztem Bedienteil
- Ethernet-Anschluß vorhanden
- I/Q Ausgang vorhanden, leider nur per USB und nicht per Netzwerk nutzbar
- Build-in ATU (max. 1:3, also 150 Ohm)
- Preisklasse (derzeit allerdings unbestätigt!) ≈6000€
ICOMs neuer IC-7760 in Kombination mit der IC-PW2 Endstufe
Also eine Art Flexradio-Konzept-Verschnitt mit MAESTRO-Konsole, wenn ich mir das mal so nüchtern betrachte.
Mein Fazit
Es kam also so, wie ich das bereits vermutet hatte, es wird ICOMs Antwort auf YAESUs FT-101MP oder die neue Flexradio 8600er Serie. Nennen wir es einfach ICOMs neues „Flagschiff“, sicher als eine Art Nachfolger des IC-7851 gedacht, für den ja immerhin mal ein Preis von um die 13.000€ aufgerufen wurde.
ICOM sah sich hier sicher in einer Art Zugzwang, denn die Messlatte hängt bereits hoch, bereits auf dem Markt erhältliche Transceiver wie der YAESU FT-101MP oder auch die Flexradio 8600 Serie zeigen, was derzeit im Amateurfunk „state-of-the-art“ ist. Auch ICOM als eine der führenden Marken im Bereich Amateurfunktechnik muss nun beweisen, das sie in dieser Oberklasse mit dabei sind und mithalten können. Das ist schlicht und einfach „business as usual“ auf dem Markt.
Dinge wie Digital Predistortion („DPD“), was ICOM „Clean Transmit Signal“ nennt, sind im professionellen Funkbereich bereits länger Industriestandard und damit alles andere als eine echte Innovation und keinesfalls „neu“.
Das kann auch mein Hermes Lite 2 für 300€ 🙂 .
Ob man nun unbedingt 137kHz VLF braucht und wirklich Sinn macht, das lasse ich mal offen. Ausgewiesen in der Spezifikation ist das im Übrigen nur in der EU-Version des neuen IC-7760, bei der US-Version allerdings nicht. Wie bei YAESU finden wir auch hier wieder einen DVI-D-Anschluß für einen externen Monitor. Hääh, DVI-D ?!? Wir sind inzwischen im Jahr 2024, da erwarte ich in solch einer Preisklasse doch wenigstens HDMI oder DisplayPort…
Ob der neue IC-7760 das halten wird, was versprochen wird, sollte sich also bald zeigen – wenn dieser TRX durch Rob Sherwoods (Sherwood Engineering Inc.) Messlabor bewertet werden wird und dann auf der berüchtigten Sherwood-Liste seinen Platz finden wird.
Somit gibt es also nun einen weiteren, reinen KW-Transceiver auf dem Markt. Die Frage, ob es noch einen reinen KW-Transceiver braucht, lasse ich mal offen im Raum stehen. Für ICOM-Fans (zu denen ich sicher nicht gehöre 🙂 ) ergänzt er einfach deren Produktlinie in der oberen Preisklasse und wurde bereits länger so erwartet. Diese Klientel musste ICOM natürlich auch bedienen können – und das natürlich in allen Preisklassen, auch der oberen. Gemessen an der Geheimnistuerei im Vorfeld also eher nix Besonderes, was da nun als Fertiggerät das Licht der Welt erblickt hat.